Udo Beck - camera obscura

 

 

 

Elektrosterische Stabilisierung oder DER LANGSAMSTE WEG EINER ZEITREISE

 

Wer sagt uns, dass das nächtliche Firmament mit seinen abertausenden Sternen nicht etwas ganz anderes ist als bisher angenommen?

Stellen wir uns einmal vor, die leuchtenden Sterne wären Punkte, noch besser feine, kleine Löcher in einem Pappkarton. Und wir sitzen darin nicht ahnend, dass es noch ein Draußen gibt. Und noch schlimmer, dass wir nur ein Abbild eines uns unbekannten Anderen sind.

Die, die wir uns bisher als Teil der Wirklichkeit angenommen haben, werden nach dieser Betrachtung zu einem Zerrbild einer anderen Realität, auf die wir keinen Einfluss nehmen können. Wie mag wohl diese aussehen, wenn wir selbst uns als Ergebnis der Projektion einer riesigen Camera Obscura verstehen würden?

Kann Udo Beck uns eine Vorstellung von der anderen Seite geben? Oder sollen jegliche Betrachtungen der eigenen Phantasie überlassen bleiben?

 

Weltweit beschäftigen sich Menschen mit einem besonders ausgeprägten Interesse am Experimentieren mit der Camera obscura. Erfahrungswerte, Formeln und Maßeinheiten über Proportionen und Belichtungszeiten werden gesammelt und wecken den Forschergeist. Um so mehr, da in der Welt der Lochkameras mehr Freiheiten zur Nutzung der physikalischen Gesetze bestehen als in der herkömmlichen apparativen Fotografie. Jedoch sind die Bildergebnisse von Udo Beck in der Absicht des Erzeugers mehr als das Ergebnis eines technischen Vorgangs.

 

Berücksichtigt man die naturwissenschaftliche Ausbildung, die Udo Beck erfahren hat, drängt sich folgende Deutungsweise seiner Arbeiten auf. Es scheint, als wäre er getrieben von der Suche nach Bildern, die abstrakte Formeln, Denkmodelle und Theorien nicht bereit stellen. Wie sieht es aus, wenn Moleküle Bindungen eingehen oder diese getrennt werden? Was passiert, wenn Partikel sich gegenseitig anziehen oder abstoßen? Ist der Mikrokosmos eine Camera obscura-Abbildung des Makrokosmos oder umgekehrt? Könnten die Punkte in den Bildern von Udo Beck denken, hätten sie sich diese Fragen gestellt?

 

Ob der Betrachter im Bildergebnis nun das eine, das andere oder etwas ganz anderes erkennt oder nicht, bleibt unwesentlich.

Die Bilder von Udo Beck sollen den Betrachter in einen ganz eigenen Kosmos ziehen. Jedes Bild kommt daher wie die Aneinanderreihung von Episoden ein und der selben Begebenheit. Wo dabei oben oder unten ist bleibt unklar. So kann der Betrachter davor stehen bleiben, in Gedanken hineingezogen werden, darin schweben oder sich mit einem unverständigen Kopfschütteln abwenden. Die Möglichkeiten bleiben offen.

Ob man dahinter oder davor steht, ist eine Frage der Sichtweise und nicht des Standpunktes.

 

Udo Beck versteht es, mit der Camera obscura zu verführen, die Neugier des Menschen und die Lust auf Wissen nach dem Sein dahinter zu wecken, um so den Mitspielern höchstmögliche Bereitschaft für Geduld und Ausdauer abzugewinnen. Um schließlich im Ergebnis erneut Verwirrung zu stiften, Fragen aufzuwerfen wegen der vielen, sich wiederholenden und doch variantenreichen Formen, in denen man etwas zu erkennen sucht, ohne ganz sicher hinter das Geheimnis der Absicht und Wirkung gekommen zu sein. Und tatsächlich, bei genauerer Betrachtung kann man hinter manchen winzig kleinen Formen ein Gesicht und schließlich mehrere Abbilder desselben Gesichts entdecken.

 

Dann wieder führt sich der Betrachter mit seiner Phantasie selbst in die Irre, indem manch einer Dinge in den Formen zu sehen glaubt, die niemals als Vorlage dienten, geschweige denn in der Absicht des Künstlers vorgesehen waren.

 

Die Bilder bieten reichlich Anlass für Projektionen des Betrachter und so soll es auch bleiben.

 

Carmen Oberst Hamburg, Januar  2003