Gerda Warning-Rippen - Texte



 

Ein gemalter Text ....

 

Wie mag es einem wohl ergehen, wenn man Gedanken, die einem durch den Kopf gehen, zu Papier bringen möchte, diese jedoch durch Anspruch und Erwartung wie weggefegt sind. Manchmal nützt es innezuhalten, den Worten freien Lauf zu lassen und die Hand geschmeidig als Werkzeug des automatischen Schreibens wirken zu lassen.

 

Diese innere Einstellung mag auch eine Methode im Umgang mit der Malerei sein. In beiden Fällen sind jedoch das Wechselspiel zwischen Entspanntheit, Wachsamkeit, Entschlossenheit, Hingabe und Mut von Bedeutung. Das Zugeständnis,  seiner Empfindungswelt in Bildern Ausdruck verleihen zu wollen, erfordert Mut und Liebe.

Das ist Leben und symbolisiert sich in der Farbe Rot.

 

Und bei der Farbe Rot rufen sich die Bilder von Gerda Warning-Rippen ganz von selbst auf den Plan. Sie durchzieht in unterschiedlichen Variationen die Bildflächen. Flüchtig hingepinselt, wässrig darüber gelaufen, hier und da angebracht, als Akzent, als Flackern, wie ein Feuerschein am Firmament, doch immer flüchtig. Wo genau sich das Rot findet, lässt sich nicht genau sagen. Es ist nicht als Muster erkennbar, es verdeutlicht nicht einen bestimmten Darsteller und auch keinen Gegenstand.

 

 

Sollte man glauben, dass neben dem Rot kein Platz für andere Farben wäre, täuscht man sich gewaltig. Ist man der Magie der Farbe erst einmal verfallen, dann zeigt sie ihren wahren, eigenwilligen Charakter und ihre Macht.  Ihre jeweilige Präsenz und der unabdingbare Wille jeder einzelnen Farbe, ja sogar jedes einzelnen Farbtones, nimmt Einfluss auf den Gesamteindruck des Bildes.

Pinselstrich um Pinselstrich baut sich in den Bildern von Gerda Warning-Rippen eine eigenartige Welt und ein unverkennbarer Stil auf.

Das Wechselspiel des Verlockens und Entschwindens nimmt hier seinen Lauf.

 

Wie flirrende Reflexe auf einem Licht durchfluteten Vorhang scheint sich jener zu öffnen und den Blick dahinter frei geben zu wollen. Jedoch sind die Bilder dahinter von eben solcher struktureller Erscheinung, dass man den Eindruck hat, die Protagonisten und Gegenstände seien unentwegt daran interessiert, vorbei zu huschen und sich dadurch genauer Betrachtungsabsichten entziehen zu wollen. Gleichermaßen bewegen sie sich stets im Zentrum des Bildes und bilden den Mittelpunkt des Geschehens. Der Betrachter wird unwillkürlich auf seine eigenen Assoziationsfähigkeiten zurückgeworfen. Er bekommt keine klaren Antworten, gleichwohl die abgebildeten Alltagsgegenstände Anspielungen in sich tragen, die aus dem persönlichen Repertoire der Erinnerungen der Bildermacherin stammen.

Sie geben Anlass für eigene Projektionen und Interpretationen des Betrachters.

 

Der Fundus der Erinnerungen wird in Einzelteile zerlegt und neu zusammengesetzt. Dort gehen sie neue Wege und so mag ein „Korb“ an das Märchen „Rotkäppchen“ erinnern oder eine „Treppe“ die Möglichkeit des eigenen Auf- und Abstiegs darstellen, der „Kopf mit Hut“ spielt mit den verschiedenen Facetten einer Person und greift damit das Thema „Identität“ auf.

 

Trotz ihrer opulenten Farbigkeit erinnern die Bilder von Gerda Warning –Rippen an alte Stummfilme, wo Lippen und Augen der Darsteller übertrieben schwarzweiß überzeichnet waren und die Mimik das einzige Ausdrucksmittel der Verständigung darstellte.

 

Synonym zu den Kratzern und Gebrauchsspuren des Filmmaterials, die Sehnsucht nach alten Theater- und Kinosälen, dem leisen, erwartungsvollen  Raunen der Zuschauer und dem Windhauch des sich langsam öffnenden Samtvorhangs beschwört Gerda Warning-Rippen mit ihren Pinselstrichen ein ähnliches Gefühl herauf.

 

Carmen Oberst,  Hamburg 2011