Carmen Oberst - Imaginationsstäbe

Auszug aus dem Katalog CARMEN OBERST – STRASSE DER METEORITEN

7. Teil - Text von ULLA LOHMANN, Hamburg, 2014

 

Das analoge Zeitalter ist unwiderruflich Geschichte. Der alte Fotograf weiß, dass er eine historische Figur geworden ist. Die Künstlerin aber stellt sich den neuen Technologien, die inzwischen die Welt und auch die Kunst erobert haben. Die digitale Kamera ist seit- dem ihr wertvoller Begleiter, der unentwegt ein photographisches Tagebuch schreibt. Und in dem weisen Schamanen lässt Carmen Oberst einen klugen Ratgeber auftreten, wenn er sagt: „Von woanders her gegeben, scheint einigen empfänglichen Menschen eine Fähigkeit innezuwohnen, die nicht jedem zuteilwird. Fragwürdig und wissenschaftlich nicht nachweisbar entziehen sich manche Phänomene dem Verständnis und werden daher gern als unglaubwürdig abgetan. Dennoch bleibt nahezu in jedem Menschen die Sehnsucht, hinter die Dinge blicken zu können, Weissagung zu befragen, um vor der Zeit Auswege aus dem Schicksalsplan und so mit den Mitteln des Magischen eine Lösung zu finden."

 

Carmen Oberst erfindet die Imaginationsstäbe. Und die haben in der Tat etwas Magisches. In Wahrheit sind es jedoch kleine, schwarz gebänderte Stöckchen, an denen auf Pappe aufgeklebte Kopien von schwarz-weiß Zeichnungen befestigt sind: historische Autos, Federbälle, Figuren der Geschichte und der Gegenwart, Architekturfragmente, Uhren, florale Muster oder Ausschnitte aus ihren Bildern. Diese Imaginationsstäbe lässt die Künstlerin bei Ausstellungen und Performances auftreten, lässt sie Parks, Straßen und Plätze ebenso wie Kunsträume, Kirchen und Schlösser bevölkern. Wie die Figuren eines Schattenspiels wandern sie mit ihr, ausgestattet mit ihrem unverwechselbaren Kostüm inklusiv Kopfbedeckung, durch die Szenerie und verbinden die Aktionen der Beteiligten, einem illustrativen Rezitativ ähnlich. Mit diesen „Mitteln des Magischen findet sie eine Lösung“ die kreative Arbeit und Aktionen vieler noch so verschiedener Beteiligter zu gestalten und zusammenzuführen und verzaubert die einzelnen Beiträge zu einem Gesamtergebnis. 

 

 

 

2016 Installation ParkArt Gewölbekeller Schloss Clemenswerth

Fotografie Andreas Bock

2014 - Installation im Turm der Immanuelkirche Wedel

2012 Kurs Inzenierungen in der Sammlung der Hamburger Kunsthalle

2015 „Die Band die es niemals gab und kein einziger Gast“,

Mulitmediales Bühnenstück im monsun theater, Hamburg

 

 

Auszug aus dem Wörterbuch

 

Das Projekt und die Entstehung der Imaginationsstäbe beginnt im Jahr 2011. Seit dieser Zeit wachsen Tag für Tag simple Holz-Stäbchen über sich hinaus, in dem sie von Carmen Oberst mit schwarz-weißer Farbe unterschiedlich bemalt werden und so zu charakterzugartigen Stäben avisieren. Diese warten zunächst in ihrer in Streifen beliebig angemalten Erscheinung auf die Verbindung mit ausgeschnittenen Zeichnungselementen und Pflanzenfotogrammen, um dann unterwegs an realen Orten den Blick auf die Umgebung zu überlagern.

 

Durch diese kleinen zarten Gegenstände und eigene Gesten und Beobachtung kann eine neue Imaginationsebene geschaffen werden, die dem Betrachter eine andere Sicht auf das Alltägliche geben kann – für einen Augenblick der Inszenierung.