Carmen Oberst - Werkgruppe

Die roten Bücher

 

 

Das rote Buch – Carmen Oberst im Wedeler Kirchturm

 

Im Themenjahr Garderobe freuen sich kulturinteressierte Gäste aus Wedel und „weiter gereist“ auf eine neue Ausstellung bzw. Installation von und mit Carmen Oberst. Sie präsentiert mit Beginn der Wedeler Kulturnacht 2019 bis zum Beginn der Sommerferien auf dem Kirchturm der Immanuelkirche: das rote Buch – Das Rote Buch. Unterschiedliche Bücher erscheinen im gleichen Gewand: alle in Rot. Die Inhalte bleiben zunächst verborgen, erst beim Öffnen lässt sich mehr erfahren. Es sind dicke, flache, große und kleine Bücher, die da so um- mantelt sind, als trügen sie die gleiche Uniform. Uniform vermitteln sie vielleicht tatsächlich eine gemeinsame Botschaft?

Rot ist eine Signalfarbe. Eine Botschaft an die geneigten oder sogar noch ungeneigten Leser/innen? STOPP! Stehenbleiben! Oder: hinsetzen und lesen! Hineinschauen! Hineindenken, mitdenken – eine Meinung dazu haben, vielleicht aber auch hinterfragen, neu entwickeln, an ihr feilen – die eigene Position finden.

Rot ist die Farbe der Liebe und der Leidenschaft, von aufwallendem Blut und vom Puls, der höher schlägt oder an Kraft verliert... Liebe, Hingabe und Opfer - Engage- ment, Begeisterung und Mut: in der christlichen Tradition die Farbe des Heiligen Geistes und die der Märtyrer und Meinungsstarken. Eine geheime Botschaft vielleicht der- jenigen, die ein ganzes Buch geschrieben haben, um von ihrer Leidenschaft auf je eigene Weise zu erzählen? Rot ist eine Farbe der Kraft in und aus der Natur. Auffal- lend. Rosen, Mohn und 1000 Früchte. Vitamine. Geheim- nisvoll: wer sich darauf einlässt und sie wahrnimmt, entdeckt Wunderschönes, Reichhaltiges, hier und da aber auch Giftiges. Bücher als Kost und Kostbarkeit – unter Umständen mit Gefahren und Nebenwirkungen... Carmen Oberst hat sie „verkleidet“ und neu in „Schale“ geworfen, um zu inspirieren.

 

Rot ist zudem eine der drei Grundfarben – ein physikalisches Phänomen. Eine klare Zone auf dem Spektromter und doch Teil eines in Wirklichkeit viel größeren Spektrums. Da geht es auch um „Wellenlängen“ und „Verortungen“... wie bei Büchern, die passen oder abweichen von den eigenen Themen, Idealen und Anlie- gen.

 

Wie dem auch sei: auch die Installation selber ist „part of the art“. Literatur im Turm – steht das für den sagenumwobenen Elfenbeinturm oder für luftleichte Gedankenspiele? Gehirn und Geist geerdet auf festen Mauern und kräftigem Fuß? Oder völlig losgelöst? Wo werden die Bücher zu finden sein? Zu sehen? Werden sie herumgegeben? Entsteht eine kleine Bibliothek oder eine Art exponiertes Lesezimmer – ein Salon? Dürfen die Bü- cher berührt, herumgegeben, aufgeblättert werden – und wenn ja, von wem? Oder wird deutlich, dass ein Ankleideraum der besonderen Art betreten worden ist... ein kleines Ensemble kurz vor der Premiere, das sich mit seiner Gewandmeisterin und Intendantin en haute couture präsentiert? Frei schwebend, hangelnd – geistreich in Szene gesetzt... ein Raum, der sich verwandelt durch die Bücher in Rot... das rote Buch?

 

Was wirklich geschieht, wenn Carmen Oberst mit ihrer Installation und ihre Gäste sich auf dem Wedeler Kirch- turm begegnen, kann erst nach der Wedeler Kulturnacht 2019 berichtet werden.

 

Susanne Huchzermeier-Bock